Es geht um die Wurst
18.10.2012Gymnasiasten kommen an die Uni und führen in den Lehr-Lern-Laboren des MIND-Centers unter der Anleitung von Studierenden Experimente durch: Das ist nicht neu. Neu ist hingegen, dass einige dieser Kurse auf Englisch stattfinden. Zum Beispiel, wenn es um die Frage geht: What’s in a Hot Dog?
Tip Ejector Button: Spitzenabwurfknopf. Hydrogen Bond: Wasserstoffbrückenbindung. Polymerase Chain Reaction: Polymerase-Kettenreaktion. Nicht gerade Wörter, die Gymnasiasten von heute im Englischunterricht lernen. Dabei sind die Abiturienten aus dem Haßfurter Regio-Montanus-Gymnasium momentan dringend darauf angewiesen, dass sie wissen, was diese Fachausdrücke aus der Molekularbiologie bedeuten. Immerhin sitzen sie im Lehr-Lern-Labor der Universität Würzburg und sollen jetzt eine Reihe von Experimenten durchführen – und ihre Anleiter sprechen nur Englisch. Auch sie selbst sind gehalten, ihre Fragen und Antworten auf Englisch zu formulieren. Und deswegen heißt es natürlich auch nicht Lehr-Lern-Labor, sondern passend: Learn-Teach-Lab.
Unterricht auf Englisch
„Am Anfang merkt man den Schülern schon an, dass sie Hemmungen haben, Englisch zu sprechen. Aber wenn das Eis erst einmal gebrochen ist, geht es in der Regel gut“, sagt Evelyn Saal. Die Studentin leitet heute gemeinsam mit ihrem Kommilitonen Christopher Schmitt das Labor. Die beiden studieren im siebten Semester Biologie und Englisch für das Lehramt am Gymnasium und haben das schon seit geraumer Zeit existierende Lehr-Lern-Labor „Was steckt in der Wurst“ ins Englische übertragen – angefangen bei der einleitenden Präsentation über die Arbeitsanweisung bis hin zum Auswertungsbogen. Selbstverständlich sprechen auch sie mit den Schülern nur Englisch. Diese haben zur Vorbereitung ein Vocabulary enthalten, in dem sie die wichtigsten Begriffe aufgelistet finden.
Molekularbiologie bietet sich an
„Das Thema ‚Molekularbiologie‘ hat sich aus einer Reihe von Gründen für die Übersetzung ins Englische angeboten“, sagt Dr. Sabine Gerstner, Koordinatorin der Lehr-Lern-Labore im Fach Biologie. Schüler aus den Abschlussklassen am Gymnasium haben die theoretischen Grundlagen bereits im Unterricht an der Schule kennen gelernt; die Chance, an der Uni dazu passende Experimente durchführen zu können, werde deshalb gerne wahrgenommen. Dass der Unterricht auf Englisch stattfindet, klingt anstrengender als es tatsächlich ist: Immerhin stammen viele Fachbegriffe der Molekularbiologie sowieso aus dem Englischen und klingen deshalb im Deutschen nur geringfügig anders. Und zum dritten bietet sich diese Kombination auch für die angehenden Lehrer an: „Die Fächerkombination Bio/Englisch ist gerade im Kommen. Hier können die Studierenden in beiden Bereichen praktische Erfahrungen im Unterrichten sammeln“, sagt Dr. Thomas Heyne, Leiter der Fachgruppe Didaktik Biologie an der Universität Würzburg.
Die Experimente
What’s in a Hot Dog: So lautet also die Frage, auf die die Haßfurter Schüler eine Antwort finden sollen. Wobei „Hot Dog“ etwas kurz gegriffen ist: Steckt im Döner, in der Bratwurst, im Wiener Würstchen und in den Chicken Nuggets tatsächlich die Sorte Fleisch, die die Verbraucher erwarten? Oder haben die Händler möglicherweise die falsche Sorte Billigfleisch untergemischt? Das müssen die Arbeitsgruppen im Learn-Teach-Lab heute herausfinden.
Dazu erhalten die Schüler eine kleine Probe Sorte Fleisch, aus der sie im ersten Arbeitsschritt die DNS isolieren müssen. Ist das geglückt, wird die Probe in einem zweiten Schritt von störenden Substanzen befreit und die DNA anschließend mit Hilfe der Polymerase-Kettenreaktion vervielfältigt. Die Gel-Elektrophorese liefert abschließend das charakteristische Banden-Muster, das den Vergleich mit Rind, Schwein und Hähnchen ermöglicht.
Feedback der Teilnehmer
„Interessant, aber manchmal ein bisschen schwer zu verstehen“, findet Isabella Höfling die Arbeit im Learn-Teach-Lab. Dass sie selber experimentieren kann, gefällt ihr gut. „Im Gymnasium ist alles nur Theorie. Da machen wir nie was“, sagt sie. „Wenn man etwas selbst machen kann, lernt man es schneller“, ergänzt ihre Nachbarin Rebecca Welsch. Und Katharina Rudolph gefällt vor allem die Tatsache, dass sie auf diese Weise schon mal einen guten Einblick in das Studium an der Uni erhält. Da sie noch nicht wisse, was sie nach dem Abitur einmal machen möchte, sei es gut, „sowas zu sehen.“
Und natürlich profitieren auch Evelyn Saal und Christopher Schmitt von diesen Ausflügen ins Lehrerleben. „Man hat die Möglichkeit, verschiedene Sachen auszuprobieren und zu schauen, welche Variante bei den Schülern besser ankommt“, sagt Christopher Schmitt. Heute haben die beiden beispielsweise eine kleine Glocke mitgebracht, die sie immer dann klingeln, wenn es an den Labortischen zu unruhig wird. Wenn die genauso gut wirkt wie ein lautes „Ruhe bitte“, können die beiden in Zukunft ihre Stimme in solchen Fällen schonen.
Lehr-Lern-Labore
Lehr-Lern-Labore sind seit ein paar Jahren fester Bestandteil im Angebot des MIND-Centers – ausgeschrieben: Mathematisches, Informationstechnologisches und Naturwissenschaftliches Didaktikzentrum – der Universität Würzburg. Lehramtsstudierende der entsprechenden Fächer arbeiten dort ein bestimmtes Thema didaktisch auf und trainieren dieses Thema immer wieder an Schülergruppen, wobei sie regelmäßig Feedback von einem erfahrenen Lehrer erhalten. Am Ende des Semesters kommen viele Schulklassen ins MIND-Center – und jeder Student nimmt mit ihnen sein Thema durch. Inzwischen hat das Zentrum sogar schon die Grenzen der Naturwissenschaft überwunden: Im Lehr-Lern-Labor „BioPhysik & Sprache“ arbeiten Lehramtsstudierende der Fächer Biologie und Physik mit angehenden Lehrern für die Fächer Französisch und Spanisch zusammen.
Mehr Informationen: Startseitewww.mind.uni-wuerzburg.de
Kontakt
Dr. Thomas Heyne, T: (0931) 31-83789
E-Mail: Thomas.Heyne@biozentrum.uni-wuerzburg.de
Dr. Sabine Gerstner, T: (0931) 31-80098
E-Mail: sabine.gerstner@biozentrum.uni-wuerzburg.de