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    Biozentrum der Universität Würzburg

    Namensregeln fürs Insektengehirn

    19.02.2014

    Ein internationales Biologenteam schlägt in der Zeitschrift „Neuron“ erstmals einheitliche Namen für die unterschiedlichen Regionen des Insektengehirns vor. Damit soll eine gemeinsame Basis für neurowissenschaftliche Forschungsprojekte entstehen.

    Per Navi durchs Oberstübchen: Das Fliegenhirn gliedert sich in zahllose Abschnitte, die hier in verschiedenen Farben dargestellt sind. (Abbildung aus Kei Ito, Kazunori Shinomiya & al., Neuron 2014)
    Per Navi durchs Oberstübchen: Das Fliegenhirn gliedert sich in zahllose Abschnitte, die hier in verschiedenen Farben dargestellt sind. (Abbildung aus Kei Ito, Kazunori Shinomiya & al., Neuron 2014)

    Vor kurzem starteten das europaweite Forschungsvorhaben „Human Brain Project“ und die US-amerikanische „Brain Initiative“. Die Europäische Union und die US-Regierung wollen damit die Hirnforschung voranbringen – mit den weltweit besten Neurowissenschaftlern, mit moderner Computertechnik und viel Geld.

    Insekten spielen bei diesen Projekten eine wichtige Rolle als Modellorganismen. Doch was bislang fehlte, waren allgemein verbindliche Benennungen für ihre Hirnregionen. „Es wächst die Einsicht, wie wichtig eine gemeinsame Sprache ist, um neuronale Netzwerke zu beschreiben“, erklärt Biologieprofessor Uwe Homberg von der Philipps-Universität Marburg. Er ist Mitautor einer aktuellen Publikation in der Zeitschrift „Neuron“. Das internationale Team, an dem sich Neurobiologen aus Greifswald, Mainz, Marburg, München und Würzburg beteiligten, stellt darin erstmals eine einheitliche und systematische Namensgebung für Insektengehirne vor.

    Viele Mängel in der Namensgebung

    „Die bisherigen Namensregeln für Insektengehirne leiden unter einer ganzen Reihe von Mängeln“, so Ko-Autor Professor Martin Heisenberg von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg: So erhielten vergleichbare Gehirnregionen bei unterschiedlichen Arten verschiedene Namen. Andererseits würden mitunter dieselben Wörter verwendet, um Strukturen zu bezeichnen, die einander gar nicht entsprechen. Zudem seien die Grenzen vieler Abschnitte des Insektengehirns nicht klar definiert, und mehrere Strukturen hätten gar keinen etablierten Namen und somit auch keine festen Grenzen.

    Professor George Boyan, ebenfalls Ko-Autor der Studie und Entwicklungsneurobiologe an der Ludwig-Maximilians-Universität München: „Die neu erarbeitete Namensregelung basiert auf einer detaillierten und allgemein akzeptierten Beschreibung der Feinanatomie und der Verschaltungen des adulten Insektengehirns. Sie ermöglicht, den Bezug zwischen Entwicklung und neuronaler Vernetzung herzustellen und so die Funktionsweise des reifen Gehirns besser zu verstehen.“

    Taufliege als Modell verwendet

    Das vorgelegte System orientiert sich am Modell der Taufliege Drosophila melanogaster. Diese ist die derzeit am häufigsten verwendete Art, an der das Insektengehirn untersucht wird. „Für viele Hirnregionen, die wir am Modell Drosophila identifiziert haben, gibt es offensichtlich Entsprechungen bei anderen Insektenarten, zum Beispiel bei Heuschrecken, Schaben, Bienen, Ameisen und Motten“, sagt Mitverfasser Wolfgang Rössler, Professor am Biozentrum der Universität Würzburg.

    Für Insekten und Gliedertiere erweiterbar

    An der Studie haben Fachleute für all diese Insekten-Arten mitgewirkt. Darum ist das Autorenteam zuversichtlich, „dass die hier vorgestellten Namensregeln auf eine Vielzahl von Insekten und sogar Krebstiere erweiterbar sind“, so Mitautor Professor Steffen Harzsch von der Universität Greifswald.

    Die Hirnteile unterschiedlichster Arten entsprechen einander zwar, können sich aber in Form und Volumen drastisch unterscheiden. „Unser Vorschlag soll ein besseres Verständnis des Drosophila-Gehirns ermöglichen sowie als Bezugspunkt für die Untersuchung anderer Insekten und Gliedertiere dienen“, erklärt Professor Roland Strauss, Mitverfasser von der Universität Mainz.

    Die Urheber der neuen Regeln

    Das neue Benennungssystem basiert auf jahrelangen Diskussionen in der internationalen Arbeitsgruppe „Insect Brain Name“. Sie besteht aus Neurobiologen, die an unterschiedlichen Arten von Insekten und anderen wirbellosen Tieren arbeiten. Die Gruppe fand sich bei einem internationalen Kongress im Jahr 2007 zusammen; die Teilnehmer richteten ein E-Mail-basiertes Online-Forum ein, um die Benennungsvorschläge zu diskutieren, und trafen sich zu Tagungen und Workshops.

    (Quelle: Pressemitteilung der Universität Marburg)

    Kei Ito, Kazunori Shinomiya & al. (Insect Brain Name Working Group): A Systematic Nomenclature for the Insect Brain, Neuron, 19. Februar 2014

    Kontakt

    Prof. Dr. Wolfgang Rössler, Lehrstuhl für Verhaltensphysiologie und Soziobiologie, Uni Würzburg, T (0931) 31-84306, roessler@biozentrum.uni-wuerzburg.de

    Von Robert Emmerich

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