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    Biozentrum der Universität Würzburg

    Quastenflosser: Evolution geht weiter

    13.06.2012

    Lebende Fossilien wie die Quastenflosser gelten als Überbleibsel aus längst vergangenen Zeiten. Als Relikte, die dem Untergang geweiht sind. Aber die seltenen Meeresfische entwickeln sich doch weiter, wie Biologen mit neuen Gen-Analysen zeigen.

    Quastenflosser zieren das Titelbild: In der Zeitschrift “Current Biology” stellen Wissenschaftler neue Forschungsergebnisse über die seltenen Fische vor. Foto: Hans Fricke
    Quastenflosser zieren das Titelbild: In der Zeitschrift “Current Biology” stellen Wissenschaftler neue Forschungsergebnisse über die seltenen Fische vor. Foto: Hans Fricke

    Quastenflosser sind sehr urtümliche Fische. So ähnlich wie sie dürften die Lebewesen ausgesehen haben, die im Lauf der Evolution als erste Wirbeltiere aus dem Meer an Land kamen. Die Quastenflosser leben schon seit 400 Millionen Jahren auf der Erde, während der Homo sapiens erst vor 200.000 Jahren auftrat.

    Lange Zeit kannte man Quastenflosser nur als Fossilien und hielt sie für ausgestorben. Doch 1938 wurde im Indischen Ozean vor Südafrika zufällig ein lebendes Exemplar gefangen. 15 Jahre später fand man dann bei der Inselgruppe der Komoren erneut einzelne Quastenflosser. Und 1997 wurde bei Indonesien sogar eine zweite Art dieser seltenen Fische entdeckt.

    Die heute bekannten Lebensräume der Quastenflosser liegen hauptsächlich vor der Küste Süd- und Ostafrikas, bei den Komoren und bei Madagaskar. Die Tiere werden bis zu zwei Meter lang und 100 Kilogramm schwer; sie leben in 150 bis 400 Metern Tiefe in Felsspalten und Höhlen.

    DNA-Sammlung im Indischen Ozean

    In den Tiefen des Indischen Ozeans erhielten die Quastenflosser vor einigen Monaten erneut Besuch von Hans Fricke. Der Biologe und Tierfilmer war der erste Mensch, der die „Fossilien“ in ihrem natürlichen Lebensraum zu Gesicht bekam: Mit einer speziellen Tauchkapsel ist er schon mehrfach zu ihnen vorgedrungen. Die Kapsel trägt Greifarme, so dass Fricke den Fischen damit einzelne Schuppen abzupfen kann. Auf diese Weise sammelte er zuletzt viele neue Proben.

    An den gesammelten Schuppen hat die Biologin Kathrin Lampert dann das Erbgut von insgesamt 71 Quastenflossern analysiert. Ziel war es, neue Erkenntnisse über die Verwandtschaftsverhältnisse und die Entwicklung der stark gefährdeten Tiefseefische zu gewinnen. Die Analysen führte Lampert zunächst im Biozentrum der Universität Würzburg durch, später am Lehrstuhl Evolutionsökologie und Biodiversität der Tiere der Universität Bochum, wo sie derzeit forscht.

    Genetische Unterschiede sind deutlich

    Ergebnis: Alle Quastenflosser sind sich genetisch sehr ähnlich, aber es gibt doch deutliche Unterschiede zwischen den Populationen im Indischen Ozean. Diese Unterschiede reichen aus, um die Tiere aus den drei Regionen Tansania, Komoren und Südafrika allein anhand ihres Genmusters klar voneinander abgrenzen zu können, wie das Fachblatt „Current Biology“ berichtet.

    „Die Quastenflosser sind also in der Evolution nicht stehen geblieben“, sagt Professor Manfred Schartl vom Würzburger Biozentrum. „Sie entwickeln sich weiter und haben vor der Küste Afrikas genetisch definierte Populationen gebildet.“ Die neuen Daten untermauern auch die Annahme, dass die Quastenflosser zunächst nur bei den Komoren vorkamen. Von dort gelangten sie mit den großen Meeresströmungen an die anderen Orte und bildeten neue Bestände, die sich genetisch immer mehr von der Ausgangspopulation entfernten.

    Anpassungsfähig, aber weiterhin gefährdet

    Die Evolution verlaufe bei den Quastenflossern sehr langsam, sagt Professor Schartl. Trotzdem sei nun klar, dass die Fische sich an wechselnde Umweltbedingungen anpassen können und damit eine Chance haben, weiterhin zu überleben. „Dabei darf man aber nicht vergessen, dass die Quastenflosser weiterhin extrem gefährdet und schutzbedürftig sind“, so Schartl. Das Washingtoner Artenschutzabkommen zählt die Fische zu den am stärksten bedrohten Lebewesen auf der Erde.

    Population divergence in East African coelacanths, Kathrin P. Lampert, Hans Fricke, Karen Hissmann, Jürgen Schauer, Katrin Blassmann, Benjamin P. Ngatunga and Manfred Schartl, Current Biology, 5. Juni 2012, Volume 22, Issue 11, Seiten 439-440, doi: 10.1016/j.cub.2012.04.053

    Kontakt

    Prof. Dr. Manfred Schartl, Biozentrum der Universität Würzburg,
    T (0931) 31-84149, phch1@biozentrum.uni-wuerzburg.de

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    Von Robert Emmerich

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