English
Biozentrum der Universität Würzburg

Studie legt Grundstock für neues Wissen zu Magen-Darm-Krankheiten

11.04.2024

Der Übergang von der Speiseröhre zum Magen ist aus medizinischer Sicht eine heikle Region. Jetzt hat ein Forschungsteam neue Einblicke in diese Region gewonnen. Diese ebnen den Weg für neue Präventions- und Therapieangebote.

Gewebeschnitt aus dem gastroösophagealen Übergang einer Maus, der die räumliche Verteilung der verschiedenen Zelltypen durch Immunfärbung zeigt: CDH1 in grün zur Identifizierung von Epithelzellen, POSTN in rot und ACTA2 in weiß zur Abgrenzung verschiedener Fibroblasten-Subpopulationen, mit blau gefärbten Zellkernen. (Bild: Chumduri Lab)

Der Treffpunkt von Magen und Speiseröhre, die sogenannte gastroösophageale Verbindung, ist eine Region des menschlichen Körpers, der die moderne Lebensweise nicht gut bekommt. Stress, Alkohol, Nikotin und starkes Übergewicht sind häufig Auslöser für krankhafte Veränderungen der Schleimhaut in diesem Gebiet, an deren Ende nicht selten Speiseröhrenkrebs steht.

Ein internationales Forschungsteam hat jetzt neue Erkenntnisse über die Entwicklung der Zellen, ihre Kommunikation untereinander und ihre Regulation am Übergang der Speiseröhre zum Magen gewonnen. Mit Hilfe von eigens entwickelten kleinen Organen, sogenannten Organoiden, und mit Techniken, die es ermöglichen, einzelne Zellen zu verfolgen und zu bestimmen, haben sie im Tierversuch die Entwicklung der gastroösophagealen Verbindung vom Embryo bis zum Erwachsenen detailliert nachverfolgen können.

Neue Erkenntnisse über die Entwicklung des Magen-Darm-Trakts

Ihre Ergebnisse enthüllen die komplexe Kommunikation auf zellulärer Ebene und die spezifischen Wege, die diese Zellen zur Kommunikation nutzen. Sie liefern neue Erkenntnisse über die Entwicklung des Magen-Darm-Trakts und haben damit erhebliche Auswirkungen auf das Verständnis, die Vorbeugung und die Behandlung von Magen-Darm-Erkrankungen. Gleichzeitig präsentieren sie neue Ansatzpunkte für die medizinische Forschung und die Entwicklung neuer Therapien.

Verantwortlich für diese Studie, die jetzt in der Fachzeitschrift Nature Communications erschienen ist, ist Cindrilla Chumduri. Die Infektions- und Krebsbiologin war bis vor Kurzem Arbeitsgruppenleiterin am Lehrstuhl für Mikrobiologie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU); mittlerweile ist sie Juniorprofessorin an der Universität Aarhus (Dänemark). Weitere Beteiligte kamen von der Charité - Universitätsmedizin und dem Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie Berlin.

„Diese Zusammenarbeit unterstreicht die Bedeutung unterschiedlicher Fachkenntnisse, um unser Verständnis der Biologie des Magen-Darm-Trakts zu verbessern“, sagt Chumduri. Sie selbst verfügt über langjährige Erfahrung in der Forschung mit Organoiden. Unter anderem hat sie mit von ihr entwickelten Mini-Organen untersucht, wie Zellen im Gebärmutterhals entarten und sich zu Krebs verändern – auch dies eine Region, in der unterschiedliche Typen von Schleimhautzellen aufeinanderstoßen.

Wo unterschiedliche Epithelien aufeinandertreffen

„An der gastroösophagealen Verbindung treffen die Plattenepithelien der Speiseröhre und die säulenförmigen Epithelien des Magens aufeinander“, erklärt Dr. Naveen Kumar Nirchal, einer der Erstautoren den Hintergrund der Studie. Das Gebiet sei als „Hotspot für die Entwicklung von Metaplasien“ bekannt – also für den Ersatz einer Zellart durch eine andere.

Häufig entwickelt sich dort der sogenannte Barrett-Ösophagus, ein Vorläufer des Speiseröhrenkrebs‘, dessen Fallzahlen in den vergangenen vier Jahrzehnten in der westlichen Welt dramatisch zugenommen haben. „Ein Barrett-Ösophagus ist gekennzeichnet durch den Ersatz des ortsansässigen Plattenepithels der Speiseröhre durch andere Zelltypen, die normalerweise in diesem Gewebe nicht vorkommen“, so der Wissenschaftler.

Unklar ist bislang jedoch, warum diese Region so anfällig für diesen Prozess ist. Um diese Verwandlung besser verstehen zu können, sei es deshalb zunächst notwendig, den normalen Entwicklungsprozess detailliert zu entschlüsseln – vom Embryo bis zum ausgereiften Erwachsenen. „Nur so ist es möglich, die Gewebeveränderungen zu bestimmen, die das Fortschreiten der Krankheit auslösen, erklärt Dr. Rajendra Kumar Gurumurthy, ein weiterer Beteiligter an der Studie.

Ein nie zuvor gesehener Einblick in die Entstehung dieser Region

Das ist jetzt gelungen: Durch den Einsatz einer neuartigen Methodik, die Organoid- und Mausmodelle mit fortschrittlichen Einzelzell-Transkriptom-Analysen über Zeit und Raum kombiniert, hat das Forschungsteam den komplexen Entwicklungsprozess der gastroösophagealen Verbindung beleuchtet. „Wir waren in der Lage, einen nie zuvor gesehenen Einblick in die Entstehung dieser Region vom Embryonalstadium bis zum Erwachsenenalter bei Mäusen zu geben und die komplizierte Zusammensetzung der beteiligten Zellen und deren Entwicklung zu identifizieren", erklärt Pon Ganish Prakash, ein weiterer an der Studie beteiligter Wissenschaftler.

Die Arbeit zeige die ausgeklügelte Kommunikation zwischen verschiedenen Zelltypen innerhalb der gastroösophagealen Verbindung sowie die daran beteiligten Signalwege. „Dieses Verständnis eröffnet neue Wege zur Erforschung von Magen-Darm-Erkrankungen“, ist sich Cindrilla Chumduri sicher.

Vor allem die Präzision der Einzelzellanalyse in ihrer Studie öffne neue Türen, um zu verstehen, wie sich krankhafte Prozesse entstehen, und um innovative Behandlungen zu entwickeln, schreibt das Team in seiner Studie. Die Arbeit werde somit ein „Eckpfeiler für das Verständnis der Entstehung solcher Krankheiten“ sein und den Ansatz für die Früherkennung und die Therapie von Erkrankungen in diesem wichtigen Teil des Verdauungssystems maßgeblich beeinflussen.

Publikation

Decoding spatiotemporal transcriptional dynamics and epithelial fibroblast crosstalk during gastroesophageal junction development through single cell analysis. Naveen Kumar, Pon Ganish Prakash, Christian Wentland, Shilpa Mary Kurian, Gaurav Jethva, Volker Brinkmann, Hans-Joachim Mollenkopf, Tobias Krammer, Christophe Toussaint, Antoine-Emmanuel Saliba, Matthias Biebl, Christian Juergensen, Bertram Wiedenmann, Thomas F. Meyer, Rajendra Kumar Gurumurthy & Cindrilla Chumduri. Nature Communications, https://doi.org/10.1038/s41467-024-47173-z

Kontakt

Prof. Dr. Cindrilla Chumduri, Medical Biotechnology Section, Department of Biological and Chemical Engineering, Aarhus University, cindrilla.chumduri@bce.au.dk  

Universität Würzburg, Lehrstuhl für Mikrobiologie, cindrilla.chumduri@uni-wuerzburg.de

Weitere Bilder

Von Gunnar Bartsch

Zurück